Textform im Vergabewesen - was Sie wissen müssen

Seit dem 01.01.2020 sind öffentliche Auftraggeber nach § 38 Abs. 2 UVgO verpflichtet, grundsätzlich Vergaben mit elektronischer Kommunikation durchzuführen. Damit einhergehend wurde die Schriftform durch die Textform nach § 126b BGB ersetzt. Nur wenn erhöhte Sicherheitsanforderungen an die zu übermittelten Daten bestehen, kann auch eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder eine qualifizierte elektronische Signatur verlangt werden (§ 53 Abs. 3 VgV, § 38 Abs. 6 UVgO).

Der häufigste bzw. wichtigste Anwendungsfall der Textform im Vergaberecht ist die Übermittlung von Interessenbekundungen, -bestätigungen, Teilnahmeanträgen und Angeboten (§ 53 Abs. 1 VgV, § 38 Abs. 1 UVgO). Hierbei stellt die Textform nunmehr den Standard dar. 

Was ist unter der Textform nach § 126b BGB zu verstehen?

Die Textform nach § 126b BGB setzt voraus, dass eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, abgegeben wird. Bei solchen Erklärungen bedarf es keiner eigenhändigen Unterschrift oder Signatur. 

Die Erklärungen in Textform werden durch die Nennung des natürlichen Namens bei natürlichen Personen (§ 12 BGB) abgegeben. Bei juristischen Personen und bei Handelsgesellschaften erfolgt die Erklärung durch Nennung der vollständigen Unternehmensbezeichnung (§ 17 HGB) und durch den Vor- und Nachnamen der Person, die das Angebot abgibt.

Welche Voraussetzungen muss die Textform nach § 126b BGB erfüllen?

  • Abschluss- und Deckungsfunktion

Durch die Namensnennung wird deutlich gemacht, dass die Erklärung vom Erklärenden tatsächlich abgegeben wird. Sie kommt der sogenannten Abschluss- und Deckungsfunktion der handschriftlichen Unterschrift gleich.

Aufgrund der entbehrlichen handschriftlichen Unterschrift muss das Erklärungsende und somit der Erklärungswille in einer anderen Form dargestellt werden. Dies kann durch 

  • Namensnennung,
  • einen Zusatz (z.B. „Diese Erklärung wurde digital erstellt“),
  • eine eingescannte Unterschrift oder 
  • ähnliche kennzeichnende Art und Weise erfolgen. 

Bei einer E-Mail z.B. wären die abschließende Grußformel und die E-Mail-Signatur ein solches Merkmal.

Mit einer solchen Abschlussfunktion wird zudem zum Ausdruck gebracht, dass von der Erklärung eine rechtliche Bindung ausgeht.

Für Vergaben mit elektronischer Kommunikation bedeutet dies, dass der Textform Genüge getan ist, wenn das Angebotsschreiben und die weiteren Formblätter maschinell ausgefüllt werden. Der Bieter muss somit das ausgefüllte Angebotsschreiben und die weiteren Formblätter nicht ausdrucken, unterschreiben und einscannen, selbst wenn entsprechende Unterschriftsfelder bzw. –zeilen vorhanden sind (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 04.10.2019, 7 Verg 3/19), sofern der Auftraggeber es in den Vergabeunterlagen nicht ausdrücklich verlangt.

  • Dauerhafter Datenträger

Eine weitere Voraussetzung der Einhaltung der Textform nach § 126b BGB ist, dass die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Ein dauerhafter Datenträger ist ein Medium, dass es dem Empfänger ermöglicht, eine an ihn gerichtete elektronische Erklärung so aufzubewahren und zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.

Diese Voraussetzungen erfüllen insbesondere Telefaxe, E-Mail, E-Postbrief aber auch elektronische Medien wie Festplatten, USB-Sticks oder Speicherkarten. 
Demnach würde auch eine unverschlüsselte E-Mail den Anforderungen des § 126b BGB genügen. Allerdings sind hierbei die Regelungen für die elektronische Kommunikation nach §§ 54, 55 Abs. 1 VgV zu beachten. Nach diesen Regelungen sind Angebote und Teilnahmeanträge verschlüsselt zu übermitteln, entgegenzunehmen und aufzubewahren, so dass Angebote und Teilnahmeanträge erst zum Öffnungstermin zugänglich sind. Es muss also technisch ausgeschlossen sein, dass vor dem Öffnungstermin bzw. Submissionstermin Kenntnis über die Inhalte der Angebote oder Teilnahmeanträge genommen werden kann.

Dies kann mit einer einfachen, unverschlüsselten E-Mail nicht sichergestellt werden, auch nicht mit einer Funktions-Mail-Adresse und der Anweisung, dass die E-Mail nicht vor dem Öffnungstermin bzw. Submissionstermin angeschaut wird.

Auf Vergabeplattformen, wie dem Vergabemarktplatz Nordrhein-Westfalen (VMP NRW), werden die Voraussetzungen der Textform nach § 126b BGB erfüllt. Die übermittelten Dateien werden verschlüsselt im System hinterlegt und können erst zum Öffnungstermin bzw. Submissionstermin eingesehen werden. Diese Dokumente können auch nicht verändert werden. Außerdem muss der Bieter, der die Angebote oder Teilnahmeanträge übermittelt, seinen vollständigen Namen und die vollständige Unternehmensbezeichnung nennen.