Grundlagen
Der Landtag des Landes NRW hat in seiner Sitzung vom 06. April 2022 das „Gesetz zur Einführung digitaler Sitzungen für kommunale Gremien und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften“ verabschiedet.
Durch dieses Artikel-Gesetz wurden u.a. Regelungen in die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) sowie die Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen aufgenommen, mit denen die Grundlage für digitale Sitzungen aller kommunalen Gremien geschaffen wird.
Mit diesen neuen Regelungen soll die Handlungsfähigkeit der kommunalen Ebene auch in kritischen Notfalllagen über einen längeren Zeitraum hinweg sichergestellt werden (§ 47a GO NRW). Darüber hinaus gewährt der Gesetzgeber den Kommunen auch die Möglichkeit, außerhalb von besonderen Ausnahmefällen „hybride Sitzungen“ von Ratsausschüssen durchzuführen (§ 58a GO NRW).
Grundsätzlich liegt die Entscheidung über die Durchführung solcher digitaler bzw. hybriden Sitzungen bei den gewählten Vertretungen. Auch die Umsetzung des Ablaufs digitaler und hybrider Sitzungen unterliegt nach wie vor dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung.
Zulassung geeigneter Anwendungen
Der Landesgesetzgeber hat allerdings die Durchführung digitaler und hybrider Sitzungen auf kommunaler Ebene unter einen Vorbehalt gestellt. Dies wird damit begründet, dass die eingesetzten Anwendungen für die digitale und hybride Gremienarbeit grundsätzlichen technischen, datenschutzrechtlichen und organisatorischen Aspekten genügen müssen und damit einen Standard gewährleisten, der diesem sensiblen Anwendungsbereich genügt.
Daher ist ein Zulassungsvorbehalt für die zu verwendenden Lösungen sowie eine Verordnungsermächtigung vorgesehen, auf deren Grundlage die einschlägigen organisatorischen, technischen, datenschutzrechtlichen und IT-sicherheitstechnischen Anforderungen an die Fachanwendungen näher bestimmt und das Zulassungsverfahren geregelt wird.
Zulassungsverfahren durch die gpaNRW
Als Zulassungsstelle wurde in Artikel 6 des o. g. Gesetzes die Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpaNRW) bestimmt.
Der Gesetzgeber hat zudem in § 133 Absatz 4 GO NRW geregelt, dass das für Kommunales zuständige Ministerium eine Rechtsverordnung erlassen kann, die die Vorgaben hinsichtlich der technischen und organisatorischen Umsetzung von Sitzungen in digitaler und in hybrider Form – einschließlich datenschutzrechtlicher und informationssicherheitsrechtlicher Standards - beschreibt.
Diese Rechtsverordnung wurde am 27. April 2022 erlassen und bildet die Grundlage für die Ausgestaltung der maßgeblichen Zulassungsverfahren; zudem beschreibt sie auch die von den Anwendungen zu erfüllenden Anforderungen (Verordnung über die Durchführung digitaler und hybrider Sitzungen kommunaler Vertretungen (Digitalsitzungsverordnung – DigiSiVO).
Hierzu wurde die Verwaltungsvorschrift zur Zulassung von Anwendungen zur Bild-Ton-Übertragung sowie von Anwendungen zur Durchführung digitaler Abstimmungen im Rahmen von digitalen und hybriden Sitzungen kommunaler Gremien (Verwaltungsvorschrift Anwendungszulassung Digitalsitzungen - VV AnwendZulDigiSi) veröffentlicht, welche die Vorgehensweise der gpaNRW abschließend näher beschreibt und darstellt.
Digitale Sitzungen - hybride Sitzungen?
Der Gesetzgeber definiert in § 47 a GO NRW die Begriffe „digitale“ bzw. „hybride Sitzung“. Demnach nehmen bei einer digitalen Sitzung alle Gremienmitglieder ohne persönliche Anwesenheit am Sitzungsort unter Einsatz technischer Hilfsmittel durch zeitgleiche Bild-Ton-Übertragung an der Sitzung teil.
Bei einer hybriden Sitzung nehmen Gremienmitglieder teils persönlich und teils ohne persönliche Anwesenheit an der Sitzung teil, während die Sitzungsleitung am Sitzungsort anwesend ist.
Grundsätzlich ist eine digitale Sitzung nur in einem vom Rat festgestellten Ausnahmefall möglich. Die Durchführung von hybriden Sitzungen kann hingegen auch außerhalb der besonderen Ausnahmefälle vorgesehen werden. Hierzu kann die Gemeinde in der Hauptsatzung die hiervon betroffenen Ausschüsse des Rates bestimmen. Von dieser Möglichkeit ausgenommen sind die in § 57 Absatz 2 GO NRW genannten Ausschüsse.
Welche Ausnahmefälle im Sinne des § 47a GO NRW sind denkbar?
Die Feststellung eines Ausnahmefalls im Sinne des § 47a GO NRW erfolgt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung durch den Rat der Gemeinde. Der Beschluss darüber ist mit zwei Dritteln seiner Mitglieder, längstens für einen Zeitraum von zwei Monaten, zu fassen. Hierzu könnten Katastrophenlagen, Pandemiesituationen oder ähnlich gelagerte außergewöhnliche Notsituationen zählen.
Welche Fachanwendungen fallen unter die Zulassungspflicht?
Die Zulassungspflicht erstreckt sich auf
- IT-Anwendungen zur Durchführung von Sitzungen kommunaler Vertretungskörperschaften oder von Teilen derselben per Videoübertragung (Bild und Ton - digital oder hybrid) sowie
- IT-Anwendungen zur Durchführung von (geheimen) Abstimmungen (eVoting).
Wer ist von der Zulassungspflicht betroffen?
Unter die vorgenannte Regelung der GO NRW fallen folgende Körperschaften im Land NRW:
- die Verwaltungen der Gemeinden, Städte und Kreise sowie der Städteregion Aachen,
- der Landschaftsverband Rheinland (LVR) sowie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL),
- der Regionalverband Ruhr (RVR),
- der Landesverband Lippe (LVL) und
- die kommunalen Zweckverbände im Sinne des GkG NRW.
Diese Körperschaften müssen künftig sicherstellen, dass
- für die digitalen und hybriden Sitzungen nur solche Anwendungen verwendet werden, die von der gpaNRW zugelassen sind,
- die technischen Voraussetzungen während der Sitzung durchgehend bestehen und
- die Gremienmitglieder ihre Sitzungsteilnahme per Bild-Ton-Übertragung in eigener Verantwortung sicherstellen können.
Ablauf des Zulassungsverfahrens nach §§ 47a, 58a GO NRW
Das eigentliche Zulassungsverfahren wird durch einen Antrag des Herstellers der zulassungspflichtigen Fachanwendung eröffnet.
Auf der Homepage der gpaNRW werden künftig Übersichten über die laufenden und abgeschlossenen Zulassungsverfahren veröffentlicht.
Anfragen
Für weitere Anfragen und Informationen wenden Sie sich gerne an die rechts aufgeführten Mitarbeiter der gpaNRW oder per Mail an Zulassung [at] gpa.nrw.de .
Prüfverfahren
Das obenstehende Schema verdeutlicht einen typischen Ablauf einer Zulassung nach § 47a GO NRW durch die gpaNRW.
Das Zulassungsverfahren durch die gpaNRW ist in der Verwaltungsvorschrift zur Zulassung von Anwendungen zur Bild-Ton-Übertragung sowie von Anwendungen zur Durchführung digitaler Abstimmungen im Rahmen von digitalen und hybriden Sitzungen kommunaler Gremien (Verwaltungsvorschrift Anwendungszulassung Digitalsitzungen – VV AnwendZulDigiSi) geregelt und beginnt mit einer Antragstellung.
Ausgangspunkt des Prüfungs- und Zulassungsverfahrens ist somit ein förmlicher Antrag auf „Prüfung und Zulassung einer Anwendung zur Bild- und Ton-Übertragung (Videokonferenzsystem) und / oder einer Anwendung für die Durchführung digitaler Abstimmungen nach § 47a Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW)“.
Der Zulassungsantrag wird in der Regel vom Hersteller einer Anwendung gestellt. In Einzelfällen können auch Gemeinden selbst Antragsteller sein.
Zulassungsprüfung:
Nach Eingang des Antrags auf Zulassung erfolgt eine Betrachtung der in der VV AnwendZulDigiSi niedergelegten Kriterien. Diese Prüfung ist mehrstufig aufgebaut. Zunächst erfolgt eine Betrachtung der Funktionalitäten durch die Prüfer. Diese Prüfung erfolgt anhand von Unterlagen sowie - wenn notwendig – durch Prüfungshandlungen in der Anwendung. Hierdurch können allerdings nicht alle Kriterien ausreichend begutachtet werden, so dass offene Kriterien im Anschluss durch eine konzentrierte, gemeinsame Betrachtung mit dem Antragsteller geprüft werden. Erst nach Bestätigung aller offenen Kriterien kann das Zulassungsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden. Hierzu ergeht ein Zulassungsbescheid.
Können Kriterien nicht erfüllt werden oder sieht sich der Antragsteller nicht in der Lage, die offenen Kriterien nachzubessern, kann eine Zulassung durch die gpaNRW nicht erteilt werden. Hierzu wird ein entsprechender Ablehnungsbescheid gefertigt.
Vorhandene Zertifikate
Liegt für eine zulassungspflichtige Anwendung bereits ein Zertifikat vor, kann die gpaNRW dies in ihre Zulassungsprüfung einbeziehen.
Nach Bestätigung der Anwendbarkeit des Zertifikates kann die gpaNRW die noch nicht durch Dritte behandelten Kriterien einzeln nachprüfen.
Möglichkeit einer Zulassungsprüfung durch Dritte:
Grundsätzlich erfolgt eine Zulassungsprüfung durch die gpaNRW selbst (vgl. § 2a Abs. 3 GPAG). In Einzelfällen kann die Prüfung, ob die allgemeinen und rechtlichen Anforderungen von einem Fachverfahren erfüllt werden, jedoch auch durch die gpaNRW an Dritte vergeben werden. Dies erfolgt jeweils unter der Maßgabe, dass die Durchführung der Prüfungshandlung auf der Basis der geltenden Prüfhandbücher erfolgt. Die Ergebnisse werden von der gpaNRW validiert. Die Ausstellung einer Zulassungsbescheinigung erfolgt ausschließlich durch die gpaNRW.
Benötigte Unterlagen:
Zur Durchführung der Zulassungsprüfung werden grundsätzliche Angaben zur Anwendung bzw. zulassungspflichtigen Modulen benötigt. Diese beinhalten u. a. Hinweise zum Prüfungsgegenstand (Funktionsumfang, Module, Version), zum Ansprechpartner bzw. der Ansprechpartnerin gegenüber der gpaNRW sowie ergänzende Unterlagen (Verfahrensdokumentation, vorhandene Zertifikate, Referenzen o. ä.). Im Zuge der Antragstellung erfolgt auch eine Abstimmung mit dem Antragsteller zu den konkreten technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen zur Durchführung der Zulassungsprüfung.
Gebührenpflicht
Die Prüfung und Zulassung der Anwendungen durch die gpaNRW ist gebührenpflichtig. Die Gebühren des Zulassungsverfahrens sind durch den Antragsteller zu tragen.
Die grundsätzliche Gebühr für die Zulassungsprüfung basiert auf der einschlägigen Verwaltungsgebührensatzung der gpaNRW (Verwaltungsgebührensatzung) und richtet sich nach dem jeweiligen Prüfungsumfang. Die Dauer der Prüfung ist maßgeblich abhängig vom Umfang und Einsatzgebiet der Anwendung (bzw. den einzelnen zulassungspflichtigen Modulen). Können gegebenenfalls Zertifikate Dritter anerkannt werden, kann dies im Einzelfall den Umfang der Prüfung reduzieren.
Prüfinhalte
Gemäß § 2 Absatz 2 der Verordnung über die Durchführung digitaler und hybrider Sitzungen kommunaler Vertretungen (Digitalsitzungsverordnung – DigiSiVO) müssen die Anwendungen solche Funktionalitäten bereitstellen, die zur Einhaltung der verbindlichen Verfahren und Vorgaben für die jeweilige Gremiensitzung erforderlich sind. Eine Anwendung kann daher für den Einsatz nur dann zugelassen werden, wenn die vom Gesetzgeber vorgegebenen Standards erfüllt werden.
Diese Vorgaben wurden in der Verwaltungsvorschrift zur Zulassung von Anwendungen zur Bild-Ton-Übertragung sowie von Anwendungen zur Durchführung digitaler Abstimmungen im Rahmen von digitalen und hybriden Sitzungen kommunaler Gremien (Verwaltungsvorschrift Anwendungszulassung Digitalsitzungen – VV AnwendZulDigiSi) niedergelegt. Zu den Grundlagen zählen etwa IT-sicherheitstechnische, datenschutzrechtliche und funktionale Anforderungen mit konkretem Bezug zur kommunalen Gremienarbeit (GO NRW und DigiSiVO).
Zu beachten sind die Aspekte:
- Allgemeine technische Anforderungen an die IT – Sicherheit
- Allgemeine technische Anforderungen an den Datenschutz
- Systemspezifische technische Anforderungen an die IT-Sicherheit der Videokonferenzanwendung
- Systemspezifische technische Anforderungen an den Datenschutz der Videokonferenzanwendung
- Systemspezifische funktionale Anforderungen an die Videokonferenzanwendung
- Systemspezifische technische Anforderungen an die IT-Sicherheit der Abstimmungsanwendung
- Systemspezifische funktionale Anforderungen an die Abstimmungsanwendung
- Besondere Anforderungen für Software-as-a-Service-Lösungen
Dieser modulare Aufbau entspricht der Gestaltung vieler zulassungspflichtiger Anwendungen, die in einem Baukastensystem wesentliche Aspekte kommunaler Gremienarbeit kombinieren.
Die grundsätzliche Vorgehensweise sieht dementsprechend vor, dass zulassungspflichtige Anwendungen jeweils nur nach den einschlägigen fachlichen Modulen geprüft werden. Dies können - müssen jedoch nicht – alle o. g. Module sein.
Die Prüfkriterien
Die Zulassungskriterien basieren in erster Linie auf gesetzlichen Vorgaben als auch auf etablierten Standards (etwa in Hinblick auf die IT-Sicherheit).
Die Kriterien sind als Sollfunktionen der Anwendungen formuliert und durch eindeutige Kürzel systematisiert. Die textliche Formulierung einer einzelnen Anforderung ermöglicht der gpaNRW eine eindeutige Einschätzung, ob das jeweilige Kriterium erfüllt ist.
FAQ
Wir haben zu den häufigsten Fragestellungen rund um das Thema digitale Gremienarbeit eine FAQ-Liste zusammengestellt. Diese finden Sie hier.
Prüfergebnisse
Eine Übersicht über eingegangene Anträge und den aktuellen Bearbeitungsstand finden Sie hier.
Formularspeicher zum Upload
Hier finden Sie wichtige Formulare zum Herunterladen.