Grundlagen
In den der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NRW) unterliegenden Verwaltungen kommen flächendeckend IT-Systeme auch zur Unterstützung des kommunalen Haushaltswesens zum Einsatz.
Durch den Einsatz von Fachverfahren werden dabei einzelne Prozessschritte der kommunalen Haushaltswirtschaft – von der Planung und Bewirtschaftung eines öffentlichen Haushaltes, über die Zahlungsabwicklung bis hin zur Vollstreckung einer Forderung – automatisiert ausgeführt. Der Einsatz vor Ort reicht dabei von vollumfänglichen Software-Lösungen zur kompletten Bewirtschaftung bis hin zur hochspezialisierten Fachanwendung für bestimmte Teilbereiche der kommunalen Haushaltswirtschaft.
Seit dem 01. Januar 2021 dürfen gemäß § 94 Absatz 2 GO NRW für die automatisierte Ausführung der Geschäfte der kommunalen Haushaltswirtschaft nur noch Fachprogramme verwendet werden, die von der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpaNRW) zugelassen sind. Diese hoheitliche Aufgabe wurde der gpaNRW durch das 2. NKFWG NRW bereits zum 01. Januar 2019 übertragen.
Das gesetzliche Erfordernis einer Zulassung dient in erster Linie der Beschreibung eines einheitlichen Qualitätsniveaus. Durch dessen Bestätigung kann ein rechts- und normenkonformes Arbeiten mit einer Fachanwendung in den Kommunen sichergestellt werden. Insofern kann auch die nach wie vor bestehende Pflicht zur Anwendungsprüfung auf örtlicher Ebene auf den Ergebnissen dieser Zulassungsprüfung aufbauen.
Zuständig für die Zulassung von Fachverfahren ist das Team „IT-Prüfung und Beratung“ der gpaNRW. In Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium für Kommunales wurden die notwendigen Zulassungsverfahren beschrieben und abgestimmt sowie die erforderlichen Prüfungskriterien formuliert. Diese wurden in der Verwaltungsvorschrift „Zulassung von Fachverfahren zur automatisierten Ausführung der Geschäfte der kommunalen Haushaltswirtschaft nach § 94 Absatz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Verwaltungsvorschrift Zulassung von Fachverfahren – VwV Zulassung Fachverfahren)“ am 19. Juli 2023 veröffentlicht. Hier finden Sie das Ministerialblatt.
In der Verwaltungsvorschrift sind die von der gpaNRW bei der Programmzulassung zu Grunde zu legenden Kriterien niedergelegt. Grundsätzlich wurden dabei sowohl „allgemeinde Anforderungen“ als auch „fachliche Anforderungen“ formuliert, die von den Fachverfahren vor einem Einsatz im Bereich der kommunalen Haushaltswirtschaft erfüllt werden müssen.
Im Zusammenhang mit der Zulassungspflicht von Fachverfahren ergeben sich diverse Detailfragen. Hierzu hat das für Kommunales zuständige Ministerium in Abstimmung mit der gpaNRW einen Erlass erarbeitet, der Regelungen zur Zulassungspflicht sowie zum Zulassungsverfahren enthält. Diesen können Sie hier einsehen.
Grundsätzlich gilt: Die gpaNRW übernimmt die Zulassung der Fachprogramme nach § 94 Abs. 2 GO NRW. Eine Zulassungspflicht nach § 94 Absatz 2 GO NRW ergibt sich in erster Linie bei Fachverfahren, die im Kern der Ausführung der Geschäfte des kommunalen Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens nach den Regeln des doppischen Finanzwesens dienen. Dies entspricht den im 8. Teil der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen unter dem Oberbegriff „Haushaltswirtschaft“ festgelegten Regelungsbereichen. Dies bedeutet, dass eine Zulassungspflicht vorliegt, sobald ein für den Bereich „Kämmerei“/zentrale Finanzverwaltung vorgesehenes Fachverfahren eines der im o.g. Erlass genannten fachlichen Prüfmodule – ggfs. auch nur in Teilen – berührt (Haushaltsplanung (inkl. Controlling), Haushaltsbewirtschaftung, Buchführung, Zahlungsabwicklung (Kasse) inkl. Rechnungsworkflow, Forderungs- und Vollziehungswesen, Jahresabschluss/Bilanz, Anlagenbuchhaltung, Kreditbewirtschaftung).
Es kommt dabei nicht darauf an, ob Funktionen eines Fachverfahrens tatsächlich genutzt werden, sondern dass das Fachverfahren diese Funktionen bietet. Nicht zulassungspflichtig im Sinne des § 94 Absatz 2 GO NRW sind daher Fachverfahren, bei denen die Abwicklung einer Fachaufgabe im Vordergrund steht (auch wenn hier Gebührenbescheide erstellt oder Beträge verwaltet werden). Hierzu zählen etwa Fachverfahren zur Personalbewirtschaftung, Sozialhilfeverwaltung, Schulverwaltung.
Darüber hinaus hat die gpaNRW aktuell die häufigsten Fragestellungen und Antworten rund um das Thema Zulassungsprüfung in einer FAQ-Liste zusammengestellt. Hier geht es zur FAQ-Liste.
Anträge auf Zulassung eines Fachverfahrens können gestellt werden. Eine Übersicht über eingegangene Anträge finden Sie hier.
Ein elektronisches Antragsformular für zulassungspflichtige Hersteller wird derzeit erarbeitet. In der Zwischenzeit senden Sie gerne einen formlosen Antrag bzw. eine Anfrage an das Postfach komfach [at] gpa.nrw.de (komfach[at]gpa[dot]nrw[dot]de)
Für eine rechtssichere und verschlüsselte Kommunikation, steht Ihnen auch unser DE-Mail-Postfach Poststelle [at] gpanrw.de-mail.de (Poststelle[at]gpanrw[dot]de-mail[dot]de) zur Verfügung.
Prüfverfahren
Das obenstehende Schema verdeutlicht einen typischen Ablauf einer Zulassung durch die gpaNRW.
Das in § 94 Absatz 2 GO NRW geforderte Zulassungsverfahren durch die gpaNRW ist im Gesetz über die Gemeindeprüfungsanstalt (GPAG) geregelt und beginnt mit einer Antragstellung (§ 2a Abs. 4 GPAG).
Ausgangspunkt des Prüfungs- und Zulassungsverfahrens ist somit ein förmlicher Antrag auf „Prüfung und Zulassung finanzwirksamer Fachverfahren für den kommunalen Einsatz im Land Nordrhein-Westfalen“.
Der Zulassungsantrag wird in der Regel vom Hersteller eines Fachverfahrens gestellt. In Einzelfällen können aber auch Gemeinden selbst Antragsteller sein.
Anerkennungs- und Differenzprüfung:
Liegt für ein Fachverfahren in der zuzulassenden Ausführung bereits ein Zertifikat bzw. eine Zulassung durch eine öffentliche Stelle vor, kann die gpaNRW dies in ihre Zulassungsprüfung einbeziehen (Anerkennungsprüfung).
Nach Bestätigung der Anwendbarkeit (insbesondere in Hinblick auf für NRW spezifische Anforderungen) kann die gpaNRW die noch nicht durch Dritte behandelten Kriterien in Form einer Differenzprüfung einzeln nachprüfen.
Möglichkeit einer Zulassungsprüfung durch Dritte:
Grundsätzlich erfolgt eine Zulassungsprüfung durch die gpaNRW selbst (vgl. § 2a Abs. 4 GPAG). In Einzelfällen kann jedoch die Prüfung, ob die allgemeinen und rechtlichen Anforderungen von einem Fachverfahren erfüllt werden, auch durch die gpaNRW an Dritte vergeben werden. Dies erfolgt dann unter der Maßgabe, dass die Durchführung der Prüfungshandlung auf der Basis der geltenden Prüfhandbücher erfolgt. Die Ergebnisse werden von der gpaNRW validiert. Die Ausstellung des Zertifikates erfolgt ausschließlich durch die gpaNRW.
Benötigte Unterlagen:
Zur Durchführung der Zulassungsprüfung werden grundsätzliche Angaben zum Fachverfahren bzw. den Modulen benötigt. Diese beinhalten Hinweise zum Prüfungsgegenstand (Fachverfahren, Module, Version), zum Ansprechpartner bzw. der Ansprechpartnerin gegenüber der gpaNRW sowie ergänzende Unterlagen (Verfahrensdokumentation, vorhandene Zertifikate, Referenzen o. ä.). Im Zuge der Antragstellung erfolgt auch eine Abstimmung mit dem Antragsteller zu den konkreten technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen zur Durchführung der Zulassungsprüfung.
Vorläufige Zulassung:
Die Regelungen des § 94 Absatz 2 GO NRW gelten seit dem 01. Januar 2021. Die zu diesem Zeitpunkt bereits flächendeckend eingesetzten Fachverfahren für die kommunale Haushaltswirtschaft besaßen jedoch (noch) keine Zulassung durch die gpaNRW. Um in den Verwaltungen zunächst einen reibungslosen Weiterbetrieb der Fachverfahren zu sichern, sah die gpaNRW daher „vorläufige Zulassungen“ für Bestandsverfahren vor.
Die Prüfung und Zulassung der Fachverfahren durch die gpaNRW ist gebührenpflichtig. Die Gebühren des Zulassungsverfahrens sind durch den Antragsteller zu tragen.
Die grundsätzliche Gebühr für die Zulassungsprüfung basiert auf der einschlägigen Verwaltungsgebührensatzung der gpaNRW und richtet sich nach dem jeweiligen Prüfungsumfang. Die Dauer der Zulassungsprüfung ist maßgeblich abhängig vom Umfang und Einsatzgebiet des Fachverfahrens (bzw. den einzelnen zulassungspflichtigen Modulen). Können gegebenenfalls Zertifikate Dritter anerkannt werden, kann dies im Einzelfall den Umfang der Prüfung reduzieren.
Prüfinhalte
Gemäß § 94 Absatz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) kann ein Fachverfahren für den Einsatz zugelassen werden, wenn „technische Standards“ erfüllt werden.
Unter Beteiligung des Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW (MHKBG) hat die gpaNRW auf der Grundlage verschiedener, allgemein anerkannter Standards sowie spezifischer Regelungen und Vorschriften in Bezug auf die automatisierte Ausführung von Geschäften der kommunalen Haushaltsführung, die technischen Standards für die Zulassungsprüfungen herausgearbeitet.
Zu diesen Grundlagen zählen gesetzliche Regelungen des Landes NRW mit konkretem Bezug zur kommunalen Haushaltsführung (GO NRW und KomHVO NRW), weitere allgemeine und fachliche Grundlagen (u. a. aus VwGO, DSGVO, FPStatG, AO) sowie Aspekte allgemein anerkannter Prüfstandards und Grundsätze (z. B GoBD, OKKSA, IDW PS 880 u. a.).
Die dort formulierten teilweise abstrakten Anforderungen wurden in konkreten Prüfkriterien beschrieben, in Prüfhandbüchern zusammengefasst und im Rahmen einer Verwaltungsvorschrift niedergelegt und veröffentlicht.
Prüfhandbücher:
Die Verwaltungsvorschrift beinhaltet derzeit zwei Prüfhandbücher.
Im ersten Teil werden allgemeine Anforderungen an Fachverfahren beschrieben. Hierzu zählen folgende Aspekte:
- Abbildung von Sachverhalten und Geschäftsvorfällen
- Orientierung im Programm
- Plausibilitätskontrollen
- Berechnungen
- Übersichtlichkeit der Darstellung
- Personendaten
- Bescheidgestaltung
- Grundlegende Anforderungen des Zugriffs-Schutzes
- Schutz von Stamm- und Bewegungsdaten
- Datensicherung
- Ablaufsicherheit, Schutz vor Datenverlust
- Produktdokumentation
- Schnittstellen
- Fachprogramme im "Software as a service"-Modell
Im zweiten Teil werden fachliche Aspekte des doppischen Finanzwesens in neun Modulen beschrieben:
- Modul Haushaltsplanung
- Modul Haushaltsbewirtschaftung
- Modul Buchführung
- Modul Zahlungsabwicklung (Kasse)
- Modul Forderungs- und Vollziehungsmanagement
- Modul Jahresabschluss
- Modul Anlagenbuchhaltung
- Modul Rechnungsworkflow
- Modul Kreditbewirtschaftung
Dieser modulare Aufbau entspricht der Gestaltung vieler Fachverfahren, die in einem Baukastensystem wesentliche Aspekte einer kommunalen Haushaltswirtschaft kombinieren. Dabei werden von den zulassungspflichtigen Fachverfahren nicht immer alle Module bedient bzw. unterliegen auch Fachverfahren nur in einzelnen Modulen der Zulassungspflicht (z. B. Fachverfahren im Bereich Zahlungsabwicklung (Kasse)).
Die grundsätzliche Vorgehensweise sieht dementsprechend vor, dass zulassungspflichtige Fachverfahren jeweils nach den allgemeinen Anforderungen und den einschlägigen fachlichen Modulen geprüft werden. Dies können – müssen jedoch nicht – alle vorgenannten Module sein.
Die Prüfkriterien
Die in den Prüfhandbüchern aufgenommenen Kriterien basieren sowohl auf gesetzlichen Vorgaben als auch auf etablierten Prüfgrundlagen und Normen, die in Wirtschaft und Verwaltung Anwendung finden. Durch die Nachnutzung dieser Qualitätsanforderungen kann gegenüber den Herstellern von Fachverfahren eine Grundlage für notwendige Änderungsbedarfe nachgewiesen werden.
Die Kriterien sind als Sollfunktionen der Fachverfahren formuliert und durch eindeutige Kürzel systematisiert. Die textliche Formulierung einer einzelnen Anforderung ermöglicht der gpaNRW eine eindeutige Einschätzung, ob das jeweilige Kriterium erfüllt ist. Dabei stehen der gpaNRW verschiedene Möglichkeiten der Prüfung zur Verfügung; neben der Auswertung der zugehörigen Dokumentationen sind dies etwa auch Testszenarien und Fallgestaltungen, mit denen bestimmte Abläufe in den Fachverfahren nachgebaut werden können.
Inhaltliche Fortschreibung
Die Prüfhandbücher unterliegen einer ständigen inhaltlichen Weiterentwicklung, um der dynamischen Entwicklung der automatisierten Datenverarbeitung gerecht zu werden. Zuletzt erfolgte dies im Zuge der Evaluation der VwV „Zulassung Fachverfahren“ im Juli 2023, bei der sowohl redaktionelle als auch inhaltliche Anpassungen vorgenommen wurden. Die dort niedergelegten Kriterien gelten insofern für neue Anträge bzw. Mitteilungen zu „wesentlichen Änderungen“ nach § 94 Absatz 2 GO NRW.
Aus Sicht der gpaNRW – als Zulassungsbehörde – liegt dabei ein Schwerpunkt auf einer notwendigen Ausgewogenheit zwischen der dynamischen Entwicklung auf der einen Seite und einer praktikablen Handhabung – sowohl bezogen auf die eigentliche Zulassungsprüfung, als auch auf den bereits erfolgenden Einsatz von Fachverfahren in Kommunalverwaltungen – auf der anderen Seite.
Grundsätzlich gilt, dass Fachverfahren zur automatischen Ausführung der Geschäfte kommunaler Haushaltswirtschaft auch nach erfolgreicher Zulassung bei nicht kompetenter Anwendung zu Bearbeitungsfehlern führen kann. Der Aspekt des korrekten Programmeinsatzes vor Ort muss daher von Seiten der Nutzer weitergehend verfolgt werden. Nach Ansicht der gpaNRW sind hierzu neben den gesetzlich geregelten örtlichen Anwendungsprüfungen auch entsprechende Fortbildungen notwendig.
Prüfergebnisse
Eine Übersicht über eingegangene Anträge und den aktuellen Bearbeitungsstand finden Sie hier.
Formularspeicher zum Upload
Hier finden Sie wichtige Formulare zum Herunterladen.