Kommunale Steuerbegünstigung unzulässige staatliche Beihilfe?

Bundesfinanzhof (BFH) ersucht EuGH um Vorabentscheidung

Am 24. Oktober 2019 hat der Bundesfinanzhof in München eine für die kommunale Familie bedeutsame Entscheidung mit möglicherweise weitreichenden finanziellen Folgen für kommunale Eigengesellschaften veröffentlicht. Der BFH-Vorlagebeschluss auf Bitte um Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) betrifft die Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten von der öffentlichen Hand beherrschter Kapitalgesellschaften. Der BFH vermutet, dass die einschlägige Regelung des deutschen Körperschaftssteuergesetzes gegen die Beihilferegelung des Unionsrechts verstößt.

 

„Ist Artikel 107 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union dahingehend auszulegen, dass eine unter diese Vorschrift fallende staatliche Beihilfe vorliegt, wenn nach den Regelungen eines Mitgliedstaates (Dauer-) Verluste einer Kapitalgesellschaft aus einer wirtschaftlichen Betätigung, die ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird, zwar im Grundsatz als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen sind und dementsprechend den Gewinn einer Kapitalgesellschaft nicht mindern dürfen, jedoch bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt, diese Rechtsfolgen für Dauerverlustgeschäfte nicht zu ziehen sind, wenn sie die betreffenden Geschäfte aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen unterhalten?“, so der Tenor des BFH-Beschlusses vom 13. März 2019 (Az. I R 18/19), der Ende Oktober vom obersten Gerichtshof des Bundes für Steuern und Zölle veröffentlicht wurde.

 

Der BFH wertet die vielerorts praktizierten Verlustverrechnungen für dauerdefizitäre kommunale GmbHs wie etwa Schwimmbäder, Bibliotheken oder den ÖPNV als steuerbegünstigende staatliche Beihilfe, die mit dem EU-Binnenmarkt nicht vereinbar sei. „Der BFH ist der Auffassung, dass § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG den kommunalen Eigengesellschaften einen selektiven Vorteil dadurch verschafft, dass die Rechtsfolgen einer vGA nicht zu ziehen sind, während bei den übrigen Steuerpflichtigen, die ebenfalls im Interesse ihrer Gesellschafter verlustreiche Tätigkeiten durchführen, diese Rechtsfolgen eintreten“, so der BFH in seiner Pressemitteilung vom 24. Oktober.

 

Sofern der EuGH in der Privilegierungsregelung des deutschen Körperschaftssteuergesetzes für kommunale Betriebe das Vorliegen einer genehmigungspflichtigen staatlichen Beihilfe nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV bejaht, hätte dies weitreichende Folgen für sämtliche Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge und könnte zu erheblichen Steuernachforderungen bei den Kommunen führen, die diese Art der Verlustverrechnung praktizieren. Städte und Gemeinden sind häufig im Bereich der Daseinsvorsorge an Eigengesellschaften mit dauerdefizitären Tätigkeiten beteiligt.

 

Abschließend weist der BFH in seiner Pressemitteilung vom 24. Oktober 2019 (Nr. 69) noch auf folgendes hin:
„Im Übrigen ist in Bezug auf die Besteuerungszeiträume ab 2009 --anders als im Streitfall-- auch die sog. Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG zu beachten. Diese ändert aber nichts am Entfallen der vGA, mit dem der BFH sein Vorabentscheidungsersuchen maßgeblich begründet hat. Ein vom EuGH auf dieser Grundlage bejahter Beihilfetatbestand könnte sich daher auch auf die heute bestehende Rechtslage auswirken.“